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Interview mit der Künstlerin Ewa Salwinski

Ewa_PORTRET_grau„Das einzige was im Leben beständig ist, ist die ständige Veränderung.“

 Aus diesem Blickwinkel heraus, betrachtet Ewa Salwinski ihre Welt und stellt sie in Form von Gemälden und Skulpturen dar. Die Künstlerin hat eine umfassende Ausbildung zur Bildhauerin, an der Akademie der Schönen Künste Krakau, absolviert. Seit 1989 lebt und arbeitet sie in Köln. Ewa Salwinski ist in der Künstlergruppe Chorweiler-Art aktiv. In diesem Rahmen, organisiert und führt sie Kunstpädagogische und künstlerische Projekte in dem Stadtteil durch. Zusätzlich sind ihre Arbeiten deutschlandweit zu sehen.
Wir haben die Künstlerin in ihrem Atelier in Chorweiler getroffen. Sie spricht lebendig und mit viel Humor, über ihre Erfahrungen in zwei Welten und über ihre beeindruckenden Künstlerischen Arbeiten.

Hallo Ewa, du bist durch deine Kunstlehrerin am Gymnasium in Krakau, mit der künstlerischen Darstellung, infiziert worden. Das muss eine sehr intensive Inspiration gewesen sein. Wie kam es dazu?

Die Lehrerin war Bildhauerin und kam frisch nach dem Studium zu uns. Sie hat uns so für Kunst begeistert, dass sie die Hälfte der Klasse mitgerissen hat. Wir haben als Gruppe oft an kunsthistorischen Wettbewerben teilgenommen. Dazu kam, dass ihr Mann, ebenfalls Bildhauer, Assistent an der Kunstakademie in Krakau war. Wir konnten als Schüler in die Hochschule gehen und zuschauen wie die angehenden Künstler arbeiten. In dem Atelier hatten wir die Möglichkeit, unter Anleitung, selbst unsere Gipsabgüsse zu fertigen. Das war für uns sehr interessant und hilfreich.

Daraufhin hast du dich entschlossen Kunst zu studieren und hast einen Studienplatz bekommen. War dir bewusst worauf du dich einlässt?

Nein. Damals hatte ich keine Ahnung. Die ersten Jahre meines Studiums waren für mich unheimlich hart. Das Kunststudium in Polen war sehr exklusiv und elitär. Mein Jahrgang zählte zehn Personen. Es war ein Erfolg überhaupt angenommen zu werden. Ich war die einzige Frau unter neun Männern. Da musste ich immer beweisen, dass ich der stärkste Mann bin. (lacht)

Welche Anstrengungen musstest du meistern?

Das waren teilweise schwere körperliche Arbeiten und ich musste technische Voraussetzungen erfüllen. Am Anfang herrschte sehr starke Konkurrenz zwischen uns. Es hat lange gedauert, bis wir uns als Gruppe empfunden haben. Das Studium dauerte fünf Jahre und die ersten drei Jahre waren wirklich schwer für mich. Ich habe hin und herüberlegt, was ich machen sollte. Doch ich habe mich zusammengerissen. Wenn ich schon mal da bin, dann mache ich auch weiter. Das Studium war eine Schule fürs Leben.

Kannst du uns ein Beispiel dafür nennen?

In Polen musste man  sich die Sachen im Vorfeld irgendwie besorgen. Es gab keine Materialien. Die Realisierung der Frage, wo bekomme ich die Materialien her, war bereits eine große Anstrengung. Die Grundmaterialien hat die Akademie zur Verfügung gestellt. Um alle Extras musste man sich in Alleinregie kümmern. Schließlich habe ich viel gelernt. Auch wenn ich damals dachte, das ein oder andere Fach sei überflüssig, habe ich immer wieder von der umfassenden Ausbildung profitiert.

Was ist das Besondere, wenn man Bildhauer ist?

Bildhauer zu sein, ist eine Lebenseinstellung. Man arbeitet mit einem sehr langen Atem. Bis ein Objekt hergestellt werden kann, muss man sich vorher viele Aspekte berücksichtigen und genau überlegen. Bei der Malerei bspw. kann man eine Idee sofort auf die Leinwand übertragen. Das ist in der Bildhauerei anders. Das passt zu meiner Arbeitseinstellung. Mich hat das bloße Spiel mit der Form nie interessiert. Wenn ich etwas zu sagen habe, mache ich das. Aber ich spiele nicht. Daher produziere nicht so viel.

Nach deinem Abschluss 1984, durftest du dich offiziell Künstlerin nennen. In Polen war der Beruf Künstler rechtlich geschützt und nur, wer ein Kunststudium absolviert hatte, wurde als professioneller Künstler anerkannt. Welche beruflichen Möglichkeiten hattest du damals?

Ich war halbtags als künstlerisch wissenschaftliche Assistentin an der Kunstakademie tätig. Ich arbeitete in der Abteilung Schriftgestaltung für Maler und Bildhauer. Davon konnte ich nicht leben. Ich habe daher zusätzlich in der Denkmalpflege gearbeitet. Wir waren ein Team und haben Restauration und Konservation von Gebäuden, Fassaden, Reliefs, bildhauerischen und skulpturalen Elementen, durchgeführt. Hier habe ich viele Erfahrungen gesammelt.

Hast du in Polen viele Ausstellungen gemacht?

Solche Ausstellungsmöglichkeiten wie hier und heute, gab es zu der damaligen Zeit nicht. Es gab in Polen ja gar keinen Kunstmarkt. Es gab einen offiziellen Kunstbunker in Krakau. Aber das war für etablierte Künstler vorgesehen. Das Problem war, dass eine Ausstellung immer völlig neue Arbeiten zeigen musste. Das heißt ein Künstler der viel gearbeitet hat, konnte sich so alle zwei Jahre eine Ausstellung leisten. Das ging nicht. Verkauft wurde eher sporadisch. Dadurch, dass Kunst staatlich gefördert wurde, gab von ihnen Aufträge. Der Staat selbst war ein bedeutender Auftraggeber.

Wie war das für dich, als du im April 1989 nach Deutschland gekommen bist?

Meine Anpassungsphase hat sehr lange gedauert. Fast sechs Jahre habe ich wegen bürokratischer Hürden in einem Schwebezustand gelebt.  Das war wirklich sehr schwer und prägend.
In Bezug auf den Beruf des Künstlers gibt es viele Unterschiede. Heute hat sich in Polen ebenfalls viel verändert.

Wie hast du die gesellschaftlichen Unterschiede zwischen damals und heute wahrgenommen?

In Polen war der Status eines Künstlers etwas gehobener. Man gehörte zur Intellektuellen Elite. Jeder wusste, dass ein Künstler sehr viel entbehren muss. In Deutschland sind Künstler angesehen, die einen Marktwert haben. Die anderen haben kein besonderes Ansehen. Ich erlebte als Künstlerin einen Ikarussturz. Bis heute muss ich mich rechtfertigen. Und was machen Sie jetzt?

Wie empfindest du die Rolle eines Künstlers und deren Akzeptanz in der heutigen Zeit?

Der Künstler ist ein scharfer Beobachter der Gesellschaft. Dafür braucht man Zeit, bis etwas kommt. Diese Zeit ist uns Künstlern nicht gegönnt. Wir werden nach Zahl der Ausstellungen und der Verkäufe bewertet und nicht jedes Werk ist eine leichte Kost. In Deutschland und mittlerweile auch in Polen herrscht der freie Kunstmarkt. Was sich gut verkauft hat Vorrang, unabhängig davon ob es Inhalt hat oder nicht. Das ist schade für die Gesellschaft, weil wirklich gute Sachen untergehen. Die Menschen können davon gar nicht profitieren.

Was fehlt dir im Besonderen?

Mir fehlt der Austausch über Inhalte, zwischen kreativen Menschen aller Art. Es gibt viele Plattformen und Künstlernetzwerke. Das sind für mich Notgemeinschaften. Nach dem Motto: Ich will nicht mehr allein sein und dann kommen wir zusammen. Aber das meine ich nicht. Ich meine Treffen frei von organisatorischen Fragen. Wenn wir z.B. als Chorweiler Art zusammentreffen, dann planen wir wieder Ausstellungen, Kunstmarkt, Auftritte während des Stadtteilfestes. Das sind wiederum Sachen, die ganz formal sind. Es bleibt kaum Zeit für den persönlichen Austausch, den Ideenaustausch.
Das ist der Geist der Zeit.

…genau deswegen hast du dieses Thema in deiner Kunst aufgegriffen. Du warst schockiert, denn in den ersten drei Jahren in Deutschland, war es für dich nicht möglich, künstlerisch zu arbeiten. In welcher Form zeigst du dies dem Betrachter?

Meine ersten Bilder waren einfach Menschenzüge, die vorbeizogen. Nach Jahren habe ich mir gedacht, dass es mein seelischer Zustand zu dieser Zeit, war. Ich fühlte mich nicht als Teil dieser Gesellschaft, sondern am Rande, als Beobachter des Geschehens. Nicht einfach mitten im Leben. 

Diese menschlichen Gestalten zeigst du, in deinen Bildern, in verschiedenen Gruppen und verschiedenen Situationen. Welche Themen finden sich noch in deinen Arbeiten?

Ich habe z.B. ein Relief gestaltet, es ist 6,40 m lang. Wenn man das Relief als Ganzes betrachten möchte, muss man sich auf den Weg begeben. Alle 200 Gestalten wurden per Hand modelliert. Beim betrachten, kann man die Bewegungen verfolgen. Das Thema ist unterwegs sein und Veränderung. Das einzige was im Leben beständig ist, ist die ständige Veränderung.

Eine beeindruckende Arbeit ist eine Gruppe von Engelgestalten, die du als Skulpturen geschaffen hast. Wie sind die Engel entstanden?

Diese Idee tauchte parallel zu den Menschenzügen auf. Am Anfang habe ich mich dagegen gewehrt. Warum Engel? Das ist so ein Thema, das ist ein bisschen heikel. Man kennt Engel in der Regel als diese fröhlichen Fotos, die überall in den Kiosken hängen. Einige Zeit habe ich das ignoriert. Ich dachte mir aber dann, ok wenn das Thema so präsent ist, dann sollte ich das aufgreifen und bearbeiten. Auf diese Weise habe ich angefangen mich damit zu befassen.

Ich möchte noch einmal zu deiner Intension zurück kommen. Du hast bereits sehr klar geschildert, wie du die Rolle der Kunst siehst. Wie würdest du deine eigene Kunst beschreiben?

Was ich mache, ist für Menschen, die nach innen kucken, die ihren persönlichen Horizont und ihre inneren Werte erweitern möchten. Ich habe festgestellt, dass meine Arbeiten eher sensible Menschen ansprechen. Denn sie sind optisch nicht spektakulär. Man muss sich Zeit nehmen. Genauso wie ich mir für meine Bilder und Skulpturen Zeit nehme. Mich hat das bloße Spiel mit der Form nie interessiert. Wenn ich etwas zu sagen habe, mache ich das. Aber ich spiele nicht, daher ich produziere nicht so viel. Trotzdem will ich die Einfachheit bewahren. Das ist für mich auch wichtig.

Was meinst du mit Einfachheit?

Ich interessiere mich nicht so sehr für die Individuellen Geschichten. Sondern ich nutze ein Element, um einen Prozess darzustellen. Wenn man zu sehr ins Detail geht, dann besteht die Gefahr, dass der Betrachter auf der Oberfläche bleibt. Deswegen nutze ich die vereinfachte Form, der menschlichen Gestalt. Vielleicht mache ich es irgendwann einmal, dass ich die individuellen Züge eines Menschen darstelle. Ich habe diese Richtung einfach noch nicht ausgeschöpft, weil ich bis jetzt andere Schwerpunkte gesetzt habe.

Was wünschst du dir für die Zukunft?

Ich wünsche mir mehr Zeit für die künstlerische Arbeit. (lacht) Ich habe auch schon lange eine Idee für eine weitere Serie von Skulpturen. Die werden anders sein als die Engel. Dafür bräuchte ich einen längeren Zeitabschnitt, in dem ich das umsetzen kann, denn das geht nicht Häppchen-weiße. Die Idee ist da, nun geht es an die Umsetzung. Von der Gesellschaft wünsche ich mir mehr Anerkennung für die schöpferische Arbeit.

Vielen Dank für das interessante Gespräch!
Ilka Baum

Ewa Salwinski zeigt ihre Arbeiten in der Ausstellung „Gedankenpaar“ in der Galerie-Graf-Adolf. Der zweite Teil des Paares ist Manfred Schüler. Die Kunstausstellung findet vom 17. September bis 22. Oktober 2011 statt. Zusätzlich haben Sie die Möglichkeit, in einen interessanten Austausch mit der Künstlerin, während der Offenen Ateliers rechtsrheinisch, ebenfalls in der Galerie-Graf-Adolf, zu treten.

Ausstellungsinformationen - Gedankenpaar in der Galerie-Graf-Adolf

Galerie-Graf-Adolf

Graf-Adolf-Str. 18-20

51065 Köln

www.galerie-graf-adolf.de

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